Studieren während einer Pandemie

Eine thematische Analyse von Kommentaren von Nutzer_innen der Online-Plattform derStandard.at zum Thema Studieren während der CoVID-19 Pandemie.

Die CoVID-19 Pandemie hat das Leben, Lernen und Lehren an den österreichischen Hochschulen kräftig durcheinander gewirbelt. Die Universitäten wurden Mitte März 2020 geschlossen und es wurde auf “Distance Learning” umgestellt. Distance Learning bedeutet, dass Vorlesungen online abgehalten werden und somit keine physische Präsenz an der Universität nötig ist, oder dass Vorlesungen durch ein anderes Format (z.B. annotierte Folien anstatt einer Vorlesung) ersetzt werden, sodass Studierende Lehrveranstaltungen von zuhause aus absolvieren können. Die Entscheidung kam für Lehrende und Studierende gleichermaßen abrupt, und bedeutete einen tiefen Einschnitt in das soziale Gefüge der Hochschulen. In der folgenden Kurz-Studie wird die Perspektive von Studierenden näher beleuchtet und werden einerseits Brennpunkte, aber auch Chancen aufgezeigt, die durch den Wechsel zu Distance Learning sichtbar wurden.

Fragestellung

Die hier präsentierte Kurz-Studie befasst sich mit den Fragen: Welche positiven Aspekte haben sich durch CoVID-19 für Studierende ergeben? und Welche negativen Aspekte haben sich durch CoVID-19 für Studierende ergeben?. Das Ziel dieser Fragestellung ist, positive und negative Aspekte, sowie Probleme aufzuzeigen, die durch die Schließung der Hochschulen und die Umstellung auf Distance Learning aufgetreten sind oder sich verschärft haben. Die Trennung zwischen positiven und negativen Aspekten ist oft nicht klar durchführbar, da ein simples schwarz-weiß-Zeichnen die Komplexität einer Situation oft nicht einfängt. Es ist eine Frage der Perspektive, aus der erzählt oder betrachtet wird – die positiven Veränderungen für eine Gruppe sind die negativen Veränderungen für eine andere. Nichtsdestotrotz lassen sich mit den beiden Fragestellungen jene Aspekte heraus kristallisieren, die sich entweder stark positiv oder stark negativ verändert haben. Die Kurz-Studie ist ein Versuch, einen Überblick über die Lage der Studierenden einzufangen und festzuhalten.

Daten und Methodik

Die Kurz-Studie basiert auf Kommentaren zu den Artikeln Wie die Unis mit der Corona-Pandemie umgehen, Wie läuft der Hochschulbetrieb bei Ihnen momentan ab?, Wie die Unis im Lockdown-Betrieb sind, Wie geht es Ihnen als Studentin oder Student zurzeit?, die auf derStandard.at im Zeitraum zwischen 8. Oktober bis 24. November 2020 veröffentlicht wurden. Die Artikel wurden aufgrund ihres inhaltlichen Fokus auf das Thema Studieren während der CoVID-19-Pandemie ausgewählt. Die Kommentare der Forumsnutzer_innen wurden manuell vorsortiert, um Hasskommentare zu entfernen. Kommentare, die thematisch in keinem (direkten oder indirekten) Bezug zum Thema Studieren während einer Pandemie standen, wurden ebenfalls entfernt.

Anschließend wurden die gesammelten Kommentare mithilfe des Online-Tools QCAmap mit Schlagworten annotiert und thematisch analysiert. Die daraus entstandenen Kategorien geben einen Einblick in positive sowie negative Veränderungen, bereits bekannte sowie neu aufgetretene Probleme, aber auch neu entstandene Chancen, die durch die Pandemie und den abrupten Umstieg von Präsenzlehre auf Onlinelehre entstanden sind. Ein erster kurzer Überblick über Themen wurde bereits mithilfe von Mindmaps gegeben.

Insgesamt wurden 175 Kommentare für die Auswertung analysiert. Dabei überwogen die negativen Aspekte mit 168 Annotationen gegenüber den positiven Aspekten mit 59 Annotationen. Einige Textstellen wurden mehrfach annotiert, da sie thematisch in mehrere Kategorien passten. Beispielsweise berichteten Kommentierende, dass sie aufgrund der Pandemie zu studieren begonnen haben, da Vorlesungen nun auch online absolvierbar waren. Diese Textstellen wurden jeweils in die Kategorien „work-life-balance verbessert“ und „Studium begonnen“ zugeordnet.

Eine Einschränkung, die bei jeder digitalen Ethnographie beachtet werden sollte, ist, dass Online-Communities vielfältig sind und abhängig von der betrachteten Plattform die Diskussionskultur sehr unterschiedlich geprägt sein kann. Eine weitere Einschränkung ist die Polarisierung in sehr positive und/oder sehr negative Kommentare, die in Online-Communities geteilt werden. Daher ist eine digitale Ethnographie als eine Momentaufnahme zu verstehen.

Die referenzierten Artikel von derStandard.at waren primär an Studierende adressiert, was sich in den Kommentaren zu bemerken machte: die meisten Kommentare beschrieben die Sicht von Studierenden. Der Anteil der Kommentare aus Lehrenden-Sicht war verschwindend gering und wurde daher bei der Auswertung nicht berücksichtigt.

Auswertung (primär) positiver Aspekte

Einige Aspekte haben sich primär positiv niedergeschlagen, dazu gehörten: die Vereinbarkeit von Studium, Arbeit und Kinderbetreuung, und auch die Zunahme aufgezeichneter Vorlesungen und online zur Verfügung gestellter Materialen. Es wurden Prüfungen auf alternative Prüfungsmodi umgestellt und Studierende haben neue Online-Communities auf verschiedenen Plattformen aufgebaut, um die soziale und räumliche Lücke zu füllen, die durch die Schließung der Universitäten entstanden ist.

~ Vereinbarkeit

Kommentierende im Standard-Forum berichteten, dass die Vereinbarkeit von Studium, Arbeit und Kinderbetreuung sich durch das Distance Learning klar verbessert hat. Sehr häufig wurden wegfallende Pendelstrecken zur Universität und auch zur Arbeit genannt, da dies zu einer signifikanten Zeitersparnis führte. Ein weiterer Umstand, der zu Zeitersparnis führte, waren wegfallende soziale Verpflichtungen. Einige Studierende berichteten, dass sie nun Vorlesungen via Stream während der Arbeit oder Haushaltstätigkeiten anhören konnten und sich somit ebenfalls Zeit ersparten, da sie mehrere Tätigkeiten gleichzeitig erledigen konnten. Ebenso wurde es für einige leichter “einfach mal so” in ein Studium hinein zu schnuppern, ohne (Arbeits-)Stunden reduzieren zu müssen. Die Teilnahme an Vorlesungen wurde von physischer Präsenz entkoppelt, es entstand zusätzliche Flexibilität, die Studierenden entgegen kommt. Für viele Studierende wurde es so möglich, an einer Vorlesung teilzunehmen, die ansonsten wegen zeitlicher Einschränkungen/Arbeit/anderen Verpflichtungen nicht absolvierbar gewesen wäre.

~ Gesteigerte Produktivität

Einige Studierende berichteten, dass ihre Produktivität sich seit der Umstellung auf Distance Learning gesteigert hat. Dafür gab es einige genannte Faktoren: weniger (soziale) Ablenkungen und wegfallende Pendelstrecken führten zu Zeitersparnis und diese Zeit wurde wiederum als Lernzeit ins Studium investiert. Ebenso wurde der leichtere Zugang zu Materialien und bereitgestellte Aufzeichnungen von Vorlesungen als positive Faktoren genannt, da z.B. Vorlesungsvideos schneller abgespielt, pausiert und wiederholt werden können und somit Studierende ihr Lerntempo selber bestimmen können.

~ Studium ermöglicht/möglich

Einige Kommentierende berichteten, dass sie aufgrund der CoVID-19 Pandemie überhaupt erst die Zeit und durch die Umstellung auf Onlinelehre erst die Möglichkeit gefunden haben ein Studium zu beginnen, da dies aufgrund fehlender Zeit, sowie Anwesenheitspflicht in Vorlesungen und einem starken Fokus auf Präsenzlehre, nicht möglich gewesen war. Durch die Umstellung auf ein Online-Format entfiel bei einigen Vorlesungen die bisher geforderte Anwesenheitspflicht und ermöglichte Studierende ihre Zeit- und Arbeitseinteilungen flexibler zu gestalten.

~ Aufzeichnungen

Viele Studierende berichteten, dass im Zuge der Umstellung von Lehrveranstaltungen von Präsenz- auf ein Online-Format vermehrt Vorlesungen aufgezeichnet und zur Verfügung gestellt wurden. Diese Aufzeichnungen ermöglichten es Vorlesungen mehrfach oder zu einem späteren Zeitpunkt anzusehen. Ebenfalls wurden Online-Vorlesungen teils interaktiver gestaltet und neue Formate in die Vorträge integriert, wie z.B. Ausarbeitungen von Aufgaben/Fragen in Kleingruppen oder gemeinsames Arbeiten mithilfe von Bildschirmübertragung.

~ Änderung von Prüfungsmodi

Zahlreiche Studierende berichteten, dass Prüfungen auf Online-Formate umgestellt wurden. Dies bedeutete für viele Prüfungen, dass sie von stark kontrollierbaren closed-book-Prüfungen in Hörsälen auf wenig kontrollierbare open-book-Prüfungen umgestellt wurden, die von zuhause aus absolvierbar waren. Die Änderung der Prüfungsmodi bedeutete für einige Studierende, dass Prüfungen leichter positiv absolvierbar wurden, da z.B. Vorlesungsfolien, Materialien und das Internet zum Recherchieren zur Verfügung standen. Viele Studierende berichteten aber auch über negative Entwicklungen betreffend Prüfungsmodi. Mehr dazu siehe weiter unten.

~ Online-Communities

Da die Universität als physischer Treffpunkt wegfiel, füllten Studierende diese Lücke mit zahlreichen neue Online-Kommunikationsmöglichkeiten und -Communities auf unterschiedlichen Plattformen, wie z.B. Telegram, Discord, oder Foren. Zur direkten Kommunikation und zum gemeinsamen Arbeiten wurden Konferenztools verwendet, um sich virtuell zu treffen, auszutauschen und gemeinsam zu lernen. In diesen Online-Communities entstanden Lerngruppen und Freundschaften wurden geschlossen.

Auswertung (primär) negativer Aspekte

Diesen positiven Veränderungen durch die Pandemie stehen eine Vielzahl an negativen Entwicklungen, aber auch neu entstandene, altbekannte und verschärfte Probleme gegenüber, die das Leben und Studium vieler Studierender erschweren.

~ Fehlender/Unpassender Lern- und Arbeitsplatz

Für viele Studierende wurde durch die Schließung der Universitäten der Zugang zu ihren primären Lern- und Arbeitsplätzen unmöglich gemacht bzw. stark erschwert. Die Lernräume an den Universitäten, die Bibliotheken und auch Labore wurden unzugänglich für Studierende, die nun von zuhause aus und oft mit unzureichend ausgestatteten Lernplätzen mit dem Lernstoff konfrontiert waren. Studierende berichteten über zu kleine Schreibtische, generell zu wenig Platz um Bücher in Griffweite zu haben. Schlechtes Internet, zahlreiche Ablenkungen und (Bau-)Lärm wurden als Störfaktoren genannt.

Besonders der Zugang zu den Bibliotheken wurde von vielen Studierenden schmerzlich vermisst. Unter anderem wurden folgende Aspekte genannt: Bibliotheken spielen als Ort der Ruhe und Produktivität eine zentrale Rolle im Leben vieler Studierender. Der Zugriff auf die Bibliotheksbeständen ist online oft nicht ausreichend und gerade für Abschlussarbeiten unumgänglich, die sich dadurch verzögern können. Genauso führte die Schließung der Bibliotheken zu einem Verlust von Tagesroutine, da der Weg an die Universität und das Vorbereiten eines Lerntages eine zentrale Rolle für Studierende spielte.

Auch als einige Uni-Bibliotheken wieder für Abholungen geöffnet wurden, waren die Öffnungszeiten stark eingeschränkt und gerade berufstätigen Studierenden wurde der Zugang zu Materialien dadurch erschwert.

Generell berichteten Studierende, dass sie mit der Umstellung auf Distance Learning mehr Zeit online und vor ihren Rechnern verbrachten, da die Universitäten als physischer Raum nicht mehr zugänglich waren und Lehre, Lernen und soziale Kontakte in virtuelle Räume verlagert wurden.

~ Fehlende Tagesstruktur

Viele Kommentierende berichteten, dass mit der Schließung der Universitäten ihre alltäglichen Routinen und Tagesstrukturen wegbrachen. Tage waren gezeichnet von Monotonie und den immer gleichen Abläufen. Online-Vorlesungen konnten besucht werden, ohne sich aus dem Bett bewegen zu müssen – ein oft angepriesener Vorteil, der sich bei einigen Studierenden allerdings negativ in Struktur- und Kontaktverlust niederschlug.

Viele Studierende berichteten, dass die Möglichkeit sich mit Kolleg_innen nach einer Vorlesung fachlich und privat auszutauschen, gemeinsam auf einen Kaffee oder Essen zu gehen und gemeinsam zu lernen durchwegs gefehlt hat. Diese sozialen Interaktionen sind genauso essenzielle Strukturen für Studierende, die bei Online-Vorlesung schlicht und ergreifend nicht stattfinden können, wenn der virtuelle Raum nach Ende der Lehrveranstaltung einfach geschlossen wird.

~ Fehlender Austausch

Der Austausch zwischen Studierenden, aber auch zwischen Lehrenden, Tutor_innen und Studierenden, litt durch die Umstellung auf Distance Learning – und dies, obwohl fachlicher und persönlicher Austausch als wichtiger Teil eines Studiums angesehen wird. Mit der Umstellung der Universitäten auf Distance Learning wurde primär auf die Vermittlung von Inhalten und die Lehre fokussiert (“Vorlesungen finden online statt. Die Studierbarkeit ist wieder hergestellt.”).

Viele Studierende berichteten, dass das Kennenlernen und Kontakte knüpfen schwierig bis unmöglich wurde. Auch bei online abgehaltenen Lehrveranstaltungen und bei Gruppenübungen wurde das Kennenlernen oft übergangen. Gerade für Erstsemester-Studierende (Bachelor und Master) gab es wenige bis gar keine Kontaktpunkte, um Anschluss im Studium und bei ihren Kolleg_innen zu finden. Lerngruppen, die sich in früheren Semestern oft aufgrund von zufälligen Bekanntschaften zusammenfanden, kamen nicht zustande. Ein weiteres Problem von dem viele Studierende berichteten, war, dass der informelle Austausch, der meist “nebenher” passiert (wie z.B. Informationen und Tipps von gleich- oder höhersemestrigen Kolleg_innen, Erinnerung an Deadlines und Abgaben, etc.), zum Erliegen kam. Studierende berichteten, dass sie sich einsam und alleine gelassen fühl(t)en und Informationen mühevoll suchen mussten, da diese oft auf verschiedene Plattformen verteilt und im Kleingedruckten zu finden waren.

Auch Gruppenarbeiten wurden aufgrund von Distance Learning erschwert. Viele berichteten, dass die Zusammenarbeit unpersönlicher wurde, da die Kommunikation oft nur auf Inhalte fokussiert war und man andere Gruppenmitglieder teils kein einziges Mal über Videokamera zu Gesicht bekam. Kommunikation, Lerngruppen und Diskussionen in einem Online-Setting funktioniert anders als in einem Offline-Setting, was oft nicht bedacht wurde.

In Summe bedeutet diese Situation nicht nur einen Verlust an persönlichem und fachlichem Austausch, sondern für viele Studierende den Verlust des Bezugs zu Studienkolleg_innen, Lehrenden und der Universität als Institution.

~ Organisation mangelhaft/aufwändiger

Die Schließung der Universitäten Mitte März verursachte eine abrupte Umstellung von Lehrveranstaltungen auf ein Online-Format. Studierende berichteten, dass diese Umstellung teils holprig verlief: Informationen zum Ablauf waren oft widersprüchlich, wurden mehrfach revidiert und umstrukturiert. Dies erschwerte vielen Studierenden die Semesterplanung. Es gab offizielle Weisungen der Universitäten, die allerdings auf Lehrveranstaltungsebene nicht eingehalten oder nur teilweise umgesetzt wurden. Den Lehrveranstaltungs- und Prüfungsmodus an die CoVID-Ampel zu knüpfen, wurde zwar gefordert, aber die Umsetzung war unvollständig, widersprüchlich oder teils gar nicht vorhanden. Es herrschte Unklarheit ob und wie Prüfungen abgehalten werden; einige Studierende berichteten, dass bis 24 Stunden vor dem Prüfungstermin nicht feststand, ob und wie die Prüfung tatsächlich stattfinden würde. Genauso wurden Vorlesungen, die mit einem Online-Modus angekündigt wurden kurzerhand doch in Präsenz abgehalten. Ein weiteres Problem, das mehrmals von Studierenden aufgezeigt wurde, waren zu spät ausgesendete Ankündigungen und Informationen zur Abhaltung von Lehrveranstaltungen oder Änderungen im Ablauf.

Studierende berichteten, dass Vorlesungen, Laborübungen und Prüfungen kurzfristig abgesagt oder auf ungewisse Zeit verschoben wurden. Einige Lehrpersonen implementierten den Distance Learning-Modus, indem sie den Lernstoff in Form von Vorlesungs-Folien bereitstellten und Studierende bis zur Prüfung damit alleine ließen. Andere Lehrende hielten ihre Frontalvorträge wie gehabt 1:1 ab – nur diesmal via Online-Streaming.

Aus den Kommentaren ging auch hervor, dass Aufzeichnungen sehr unterschiedlich gehandhabt wurden. So berichten Studierende, dass manche Vortragende Aufzeichnungen gar nicht machten oder nur für einen begrenzten Zeitraum zur Verfügung stellten und danach wieder löschten. Andere stellten diese dauerhaft zur Verfügung. Der Zeitpunkt, ab wann und wie lange Aufzeichnungen abrufbar waren, variierte oft stark – dies erzeugte bei Studierenden einen Mehraufwand, da sie ständig nachsehen mussten, ob neue Inhalte bereits verfügbar waren. Viele Studierende berichteten, dass der organisatorische Aufwand anstieg und durch die verstreuten Informationen auch die Wahrscheinlichkeit, eine Information zu übersehen.

~ Präsenz trotz CoVID-19

Einige Vortragende hielten trotz der Pandemie und Aufforderung der Universität auf Distance Learning zu wechseln an Präsenz-Vorlesungen und Anwesenheitspflicht fest. Eine kommentierende Person berichtete, dass Angst vor einer CoVID-19-Infektion kein ausreichender Grund war, um der Vorlesung fernzubleiben. Eine weitere Person berichtete, dass eine Vorlesung mit einem Online-Modus angekündigt und kurzfristig zurück auf Präsenz-Vorträge geändert wurde. Grundsätzlich herrschte oft Unklarheit, ob und in welchem Modus Vorlesungen stattfinden. Bei einigen Lehrveranstaltungen wie z.B. Laborübungen, Tutorien und (Praxis-)Übungen war ein Online-Modus oft nicht möglich oder sinnvoll; diese wurden teils abgehalten oder auf unbestimmte Zeit verschoben.

~ Prüfungen

Das Abhalten von Prüfungen stellte Lehrende und Studierende gleichermaßen vor Herausforderungen und Probleme. So berichteten Studierende mehrfach von großen Unsicherheiten, ob Prüfungen überhaupt stattfinden würden und in welchem Modus diese abgehalten werden würden. Da von vielen Vortragenden Präsenzprüfungen klar präferiert wurden (und immer noch werden), fanden schriftliche Prüfungen trotz Lockdown noch immer in Präsenz statt. Dies zwang (und zwingt) Studierende dazu, sich zwischen ihrem Studienfortschritt und ihrer eigenen Gesundheit und der ihrer Familie/Mitbewohner_innen zu entscheiden.

An vielen Universitäten wurden Präsenzprüfungen für eine gewisse Zeit ausgesetzt und Prüfungstermine auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Studierende berichtete, dass dies dazu führte, dass sich Prüfungen überschnitten oder dicht aufeinander folgten, sobald Präsenzprüfungen wieder möglich waren. Für Studierende sind diese geballten Prüfungszeiten selbst unter normalen Bedingungen stressig und belastend.

Die Umstellung auf Online-Prüfungen führte oft zu einer Änderung des Prüfungsmodus. Studierende berichteten, dass die Anzahl der Prüfungsteilnehmer_innen reduziert wurde, dass die Prüfungszeit nicht ausreichend bemessen war und dass bei einer Unterbrechung der Online-Prüfung, z.B. durch Internetprobleme, diese negativ bewertet wurde.

~ Studienzeitverzögerung

Einige Studierende berichteten, dass ihr Studium langsamer voranginge als bisher. Dies lag primär an abgesagten, verschobenen und sich überschneidenden Prüfungsterminen und an Präsenzpflicht (online genauso wie offline), die gefordert wurde. Durch den Online-Modus von Lehrveranstaltungen wurde es für Studierende schwerer Kontakte zu knüpfen und Lerngruppen zu finden. Dies wirkte sich auch auf die Prüfungsleistung aus, da der Austausch und gemeinsames Lernen für viele Studierende wegfiel.

~ Annahme immer online/erreichbar

Einige Studierende kommentierten, dass Lehrende annahmen, dass Studierende jederzeit verfügbar wären und selbst eine Erkrankung kein ausreichender Grund sei, um einer online stattfindenden Vorlesung fern zu bleiben. So wurde Anwesenheitspflicht oft auch bei Online-Vorlesungen gefordert. Genauso wurden Aufzeichnungen mit der Begründung nicht gemacht, dass Studierende doch “eh” Zeit haben müssten, um sich online zuzuschalten. Studierende berichteten, dass sie durch die Online-Vorlesungen und Online-Modi bei Lehrveranstaltungen mehr Zeit online und vor ihren Rechnern verbrachte.

Einige Studierende berichteten, dass Vorlesungen an Feiertagen stattfanden. Als die vorlesungsfreie Zeit über den Sommer ausgesetzt wurde, fanden Vorlesungen über den Sommer hinweg statt. Studierende berichteten, dass sie durchgängig Vorlesungen gehabt hätten und es keine Pause zwischen den Semestern gegeben hätte.

~ Finanzielles

Viele Studierende sind durch CoVID-19 nicht nur im Studium, sondern auch in ihrem Arbeitsleben direkt betroffen. Berufstätige Studierende sind von der Pandemie und Unsicherheiten bzw. Wegfall von Jobs gleich doppelt betroffen, da Lebenserhaltungskosten und Studiengebühren auch weiterhin bestehen. Beihilfen sind an einen Erfolgsnachweis geknüpft, der sich pandemiebedingt durch abgesagte Vorlesungen und Prüfungen ebenfalls schwieriger gestaltet, als unter normalen Umständen. Für Studierende sind bisher kaum CoVID-19-Beihilfen geplant, wie sie bereits in anderen Bereichen ausgezahlt werden. Dadurch verstärkt sich die finanzielle Unsicherheit zusätzlich – oder sie sind an Bedingungen geknüpft, die nur für wenige erreichbar sind, wie bei den kürzlich von der TU Wien angekündigten Digitalisierungs-Stipendien.

Fazit

Betrachtet man das Gesamtbild, so zeigen sich einige positive Entwicklungen, wie z.B. die bessere Vereinbarkeit von Studium, Arbeit und Familie und auch Fortschritte bei der Digitalisierung, da Vorlesungen vermehrt aufgezeichnet werden. Diesen positiven Aspekten stehen eine Vielzahl negativer Aspekte gegenüber, die teils der raschen Umstellung, fehlender Erfahrungswerte und/oder mangelnder Transparenz bei der Organisation und mangelnder Informationsweitergabe geschuldet sind, teils aber auch dem Unwillen von altbekannten Vorgehensweisen abzurücken, wie es bei der prekären Prüfungssituation momentan der Fall ist. Die Polarisierung ist natürlich auch teils darauf zurückzuführen, dass die gesammelten Kommentare ebenfalls stark polarisierende Meinungen enthalten. Trotzdem zeigt diese Kurz-Studie zahlreiche Aspekte auf, die berücksichtigt werden können, um die zukünftigen Semester für Studierende (und Lehrende) angenehmer und weniger disruptiv zu gestalten.

Ein weiterer zentraler Aspekt, der sich einem roten Faden gleich durch die Kommentare zieht, ist der fehlende Austausch, der Studierenden momentan stark zusetzt. Dieses Problem ist für Studierende alleine schwer zu lösen. Hier müssen auch die Universitäten digitale Räume schaffen. Universitäten sind soziale Gefüge, die sich nicht auf das Vermitteln von Wissen reduzieren lassen und daher online – wie auch offline – einen Treffpunkt zur Verfügung stellen müssen, um ihrer Funktion gerecht zu werden. Nicht nur jetzt in Pandemie-Zeiten, sondern auch, wenn man den Blick weiter in die Zukunft richtet.

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